Karlsruhe dreht den Spieß um: Normalerweise haben Autofahrer an Bedarfsampeln dauerhaft Grün, während diese für Fußgänger sowie Radfahrer auf Rot stehen. Möchten Letztere eine Ampel für sich auf Grün umschalten, müssen sie dies erst einmal anfordern, indem sie auf einen Knopf drücken oder eine Fläche berühren. Doch nun gibt es in der drittgrößten Stadt Baden-Württembergs zwei Ampelanlagen, bei denen das Prinzip umgekehrt wurde.
Ein neues Konzept
Noch handelt es sich nur um ein Projekt – das im Oktober 2020 begonnen wurde – um erst einmal Erfahrungen sammeln zu können. Die Ampelanlagen Kaiserallee/Südliche Hildapromenade sowie Franz-Lust-Straße/Knielinger Allee im Karlsruher Westen stehen für Fußgänger und Radfahrer durchgehend auf Grün. Das heißt, dass ein kommender PKW eine grüne Ampelphase erst einmal “bestellen” muss. Im Gegensatz zu den anderen beiden Verkehrsteilnehmern muss der Fahrer dafür allerdings nichts drücken oder berühren. Stattdessen reicht es aus, wenn er an eine bestimmte Stelle fährt und dort wartet. Dann nämlich reagiert der Radarsensor, der sich an der Ampel befindet, beziehungsweise die in die Fahrbahn eingefügte Induktionsschleife. Neben diesen baulichen Maßnahmen war übrigens zusätzlich eine Umprogrammierung der Ampelanlage nötig. Ansonsten aber hielt sich der Aufwand in Grenzen; man hatte auf Mittel zurückgegriffen, die bereits vorrätig waren.
Unbekanntes Terrain
Ziel dieses Projekts ist es, herauszufinden, wie durch solch eine Maßnahme die Wartezeiten der Verkehrsteilnehmer beeinflusst werden. Karlsruhe ist in Deutschland die erste Stadt, die dieses Konzept ausprobiert. Bisher gibt es nur in Österreich ähnliche Projekte, obwohl man sich schon seit den 1990er Jahren Gedanken darüber macht. Der Grund, weshalb man ausgerechnet die beiden oben genannten Ampeln für dieses Experiment ausgesucht hatte, war, dass diese von mehr Radfahrern und Fußgängern als Autofahrern überquert werden. Eingebettet ist diese Untersuchung übrigens in eine Bachelorarbeit, die an der Hochschule Karlsruhe geschrieben und von Prof. Dr.-Ing. Jan Riel betreut wird.
Erste Ergebnisse
Am 16.01.2022 wurden die ersten Ergebnisse veröffentlicht. Hier offenbarte sich Unerwartetes: Die Wartezeiten hatten sich nicht nur für die Autofahrer, sondern auch für die Fußgänger und Fahrradfahrer verlängert. Allerdings sei dies nur auf den ersten Blick verwunderlich, wie Riel betont. So sei es früher für Fußgänger und Radfahrer immer dann möglich gewesen, die Straße zu überqueren, wenn sie einen kurzen Blick auf selbige warfen und eine Lücke für sich entdeckten. Da an diesen Ampeln aber – wie oben bereits erwähnt – sowieso eher wenige Autos unterwegs waren, hatten Fußgänger und Fahrradfahrer auch kaum Wartezeit, da es ständig verfügbare Lücken gab. Nun aber müssten sie warten, da sie Rot hätten, wenn ein Auto kommt. Mit einem Simulationsmodell soll nun herausgefunden werden, inwieweit die jeweils an einer Ampel vorhandenen Verkehrsmengen eine Rolle spielen. Bereits im Frühling sollen die nächsten Ergebnisse vorliegen.